Christoph Hein: Guldenberg (2021)

In dem kleinen ostdeutschen Städtchen Guldenberg wurden vor kurzem ein Dutzend geflüchtete Teenager aus Afghanistan und Syrien aufgenommen, um die sich nun ein paar engagierte Frauen kümmern – was im Ort für Aufruhr sorgt, denn viele wollen »die Fremden« nicht hier. Der Autor steuert nicht auf den raschen Konflikt zu, sondern entwirft mit viel Geduld den Schauplatz, der sich als ein Spannungsfeld rivalisierender Männer und Instanzen entpuppt, vom Bürgermeister über den Ortspfarrer und den Bezirkspolizisten bis zum Unternehmer. Hinzu kommt die Vorgeschichte des Ortes, vergangene und schwelende Konflikte, altes und neues alltägliches Leid.
Man muss sich erst etwas reinlesen, aber das alles liest sich zunehmend spannend, denn im Grunde werden hier exemplarisch und im kleinen Format die verschiedenen Positionen in einem Konflikt abgehandelt, der sich überall abspielt, wo Menschen aufgenommen werden und unsere humanitäre Verpflichtungen umgesetzt werden sollen oder müssen.

Rezension Frankfurter Rundschau 2021

Rezension ZEIT

Rezension Deutschlandfunk

Rezension mdr

Rezension swr2

Interview mit dem Autor

Ulrich Alexander Boschwitz: Der Reisende (1939/2018)

Ungeheuer spannend und bedrückend erzählt der 23-jährige Autor von einem jüdischen Kaufmann, der direkt nach den Novemberpogromen gegen die Juden im November 1938 Nazideutschland verlassen möchte und nicht weiß, wie. An seiner Seite erlebt man mit, wie es sich anfühlt, wenn man plötzlich per se verdächtig ist und sich selber dauernd reflektiert, weil man befürchtet, die eigene Furcht verrate einen.
Die Figuren, Gespräche und Begegnungen lehren einem viel darüber, was Macht und Ohnmacht mit uns anstellt: die Verfolgten fallen aus der Welt, deren fester Bestandteil sie eben noch waren; diejenigen auf der sicheren Seite nützen die neue Position aus oder verlangen vom Verfolgten ein Dankeschön, wenn sie es nicht tun. Und nicht mal die Verfolgten untereinander können sich noch trauen.
(Photo by 39422Studio from Pexels)

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Leseprobe

Rezensionsübersicht

Rezension FAZ 2018

Rezension Deutschlandfunk 2018

Daniel Kehlmann: Tyll (2017)

Was macht einen Mann zum Hexer? Wie weit darf ein Hofnarr seinen Herrn reizen und ärgern? Wie lernt man jonglieren? Kann man einem Esel das Sprechen beibringen? Was tut eine besitzlose, verwitwete Königin, um ihre Würde zu bewahren? Wie schläft man auf einem Baum? Und: Gibt es vielleicht doch Drachen?
Bunt, verstörend, witzig, brutal, verschlungen – ein Roman aus einem Land im fortwährenden Kriegszustand. Die Bevölkerung ist permanent marodierenden Gruppierungen, Seuchen und religiösen Eiferern ausgesetzt, viele sind auf der Flucht. Wir befinden uns im Deutschland des 17. Jahrhunderts, der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Beim Schreiben dachte der Autor aber an ein Land wie Syrien heute.
In acht Episoden erzählt er von Bauern, Jesuiten, Königen, Soldaten – und dem Gaukler Tyll Ulenspiegel. Der kommt als verbindende Figur in allen Episoden vor, steht aber nicht immer im Zentrum. Tyll würde man heute einen Straßenkünstler nennen, der schwächliche Sohn eines Müllers übt sich im slacklinen und jonglieren. Früh muss er aus seinem Dorf fliehen und begibt sich mit der gleichaltrigen Bäckerstochter Nele, die vor dem Schicksal des Verheiratetwerdens flüchtet, auf die ziellose Reise in ein Leben voller Unwägbarkeiten. (Bildquelle)

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Anfang des Romans / Leseprobe

Hörbuchfassung des Anfangs (35 min.)

Rezensionsübersicht

Rezension ZEIT 2017

Rezension NZZ 2017

Videorezension 2017

Informatives gedrucktes Interview SZ 2018

Interview mit Daniel Kehlmann (2017)

Noch so ein Interview (2017)

Kehlmann über die Figur Till Eulenspiegel 2017

Arno Geiger: Unter der Drachenwand (2018)

1944, österreichische Provinz: Der 25jährige Wiener Veit Kolbe erholt sich nach vier Jahren Fronteinsatz von einer schweren Verwundung. Der Krieg ist noch nicht zu Ende und Kolbe kein Held. Hitlers Partei war ihm »Sinngebung«, der Krieg Normalität. In dem Dorf lernt er einige Menschen kennen: Nanni, ein unglückliches Mädchen, die in ihren Cousin verliebt ist; Margot, eine verheiratete junge Mutter, deren Mann auch an der Front ist; einen Gärtner, den alle den »Brasilianer« nennen, weil er lange in Rio lebte. Sie alle hoffen, dass irgendwann wieder das Leben beginnt. Arno Geiger erzählt von Veits Alpträumen, von der seltsamen Normalität in diesem Dorf in Österreich – und von der Liebe. Es kommen aber auch andere Stimmen zum Zug, die von anderen Realitäten dieser Epoche erzählen, zum Beispiel einer jüdischen Wiener Familie, die vor den Nazis nach Budapest flieht, oder Margots Mutter in Darmstadt, die vom Bombenkrieg berichtet. Ein Roman über den einzelnen Menschen und die Macht der Geschichte, über das Persönlichste und den Krieg, über die Toten und die Überlebenden. (Bild)

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Rezensionsübersicht

Rezension FAZ 2018

Rezension ZEIT 2018

Rezension profil 2018

Audio-Gespräch mit dem Autor

Viedeorezension FAZ 2018

Peter Handke: Die linkshändige Frau (1976)

»Meint, was ihr wollt. Je mehr ihr glaubt, über mich sagen zu können, desto freier werde ich von euch… Wenn mir in Zukunft jemand erklärt, wie ich bin – auch wenn er mir schmeicheln oder mich bestärken will – werde ich mir diese Frechheit verbitten.« Eine dreißigjährige Frau verlässt ihren Mann, um sich mit ihrem gemeinsamen Kind alleine durchzuschlagen.« Der Ausbruch gestaltet sich schwierig, die Frau scheitert im Grunde. Aber sie hat sich behauptet, hat etwas verändert. Handkes Hauptthema ist Einsamkeit und Isolation, die Unfähigkeit zu einem Dialog, zu Gesprächen und Gesten, die sich wirklich aufeinander beziehen. Alle reden, keiner antwortet dem anderen. Bild: Edith Clever in der Hauptrolle der Verfilmung durch Handke selbst 1978.

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Zu Handkes Schreibmethodik

Entstehungsgeschichte

Rezension ZEIT 1976

Rezension SPIEGEL 1976

Blogrezension

Trailer der Verfilmung (Regie: Peter Handke, 1978)

Peter Weiss: Abschied von den Eltern (1961)

»Ich war auf dem Weg, auf der Suche nach einem eigenen Leben.« Mit diesem Satz schließt diese berichtartige autobiographische Erzählung – am Anfang steht der Tod der Eltern: Er bildet den Anlass für den Autoren, das entfremdete Zusammenleben seiner halbjüdischen Familie vor und nach der Emigration aus Nazideutschland zu rekonstruieren, welche durch mehrere Länder führt und in Schweden endet. Die Auseinandersetzung mit dem Vater und die Schwierigkeiten der Berufsfindung sind zentral. Zentral aber auch der eigentliche Erzählprozess: In Rückerinnerung aus Bruchstücken und analytischer Reflexion reihen sich vergangene Erlebnisse und Wahrnehmungen zu einem ununterbrochenen Erzählstrom. Vieles ist dabei historisch repräsentativ und insofern überindividuell. Bild: Still aus der filmischen Umsetzung von Astrid J. Ofner (2017).

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Inhalt

Interpretation

Leseprobe

Hörspiel BR 2017, Stimme: Robert Stadlober

Rezension literaturkritik.de 2007

Trailer der filmischen Umsetzung von Astrrid J. Ofner (2017) 

Hans-Ulrich Treichel: Der Verlorene (1998)

Winter 44/45: Von russischen Soldaten bedrängt, gibt eine junge Mutter ihr Kind in die Arme einer Fremden und sieht es danach nie mehr wieder. Nach dem Krieg suchen die Eltern heimlich nach dem verlorenen Sohn, ihren jüngeren Kindern erzählen sie, er sei gestorben. Aus der Perspektive des jüngeren Sohns und Ich-Erzählers wird deutlich, wie sehr die Trauer über den Verlust die Freude das Leben aller überschattet, der Junge wird eifersüchtig auf einen Abwesenden. Treichels autobiographische Erzählung kann man auch als symptomatisch für die Situation in Nachkriegsdeutschland lesen: Trotz Frieden und wiedergewonnenen Wohlstands steckt eine Wunde im Fleisch, die nicht verheilt. Bild: Matti Geschonnek verfilmte den Stoff 2015.

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Rezension FAZ 1998

Rezension SPIEGEL 1998

Blogrezension

Inhalt & Kommentar zur Verfilmung

Verfilmung von Matti Geschonnek 2015

Alfred Andersch: Sansibar oder der letzte Grund (1957)

Ein kleiner Fischerort an der Küste Nazideutschlands. Fünf Figuren, fünf Perspektiven, fünf Konflikte. Eine junge jüdische Frau auf der Flucht, ein Pfarrer, ein junger kommunistischer Widerständler, ein Fischer, ein Junge. Und außerdem: eine geschnitzte Holzfigur als Ausdruck eines unzeitgemäßen Leitgedankens. Der sehr formal aufgebaute schmale Roman ist eine kühle, aber spannende literarische Annäherung an die Frage der individuellen Verantwortlichkeit. Bild: Szenenfoto aus einer Verfilmung von 1987.

Übersicht

Inhalt & Kommentar

Inhaltsangabe & detaillierte Kapitelübersicht

Textauszug

Facharbeit (2003)

Blogrezension (inkl. Spoiler)

Zusammenfassung (inkl. Spoiler)

Teaser

Hörbuch

Lukas Bärfuss: Hagard (2017)

Wie rasch ein Mensch sich verlieren und verwahrlosen kann, um sich allenfalls neu zu finden, davon erzählt dieser Roman eines Stalkers, der in Zürich spielt. Warum folgt ein erfolgreicher Liegenschaftsverwalter der fremden Frau mit den blauen Ballerinas? Ist es bloß aus der Laune heraus? Ist es eine Übersprungshandlung oder eine Flucht? Ein Symptom für eine Leerstelle und Unerfülltheit in seinem Leben? Bild

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Rezensionsübersicht

Rezension NZZ 2017

Rezension FAZ 2017

Literaturgespräch (Literaturclub) 2017 (von 17:00 an)

Interview mit Bärfuss

Jenny Erpenbeck: Heimsuchung (2008)

2011-09-03-20-28-21
In ihrer Geschichte eines Hauses und seiner Bewohner aus drei Generationen betreibt die Autorin eine autobiographische Spurensuche. Der Roman in 12 Geschichten vereint Themen wie Haben und Verlieren, Krieg, Natur, Flucht und Vertreibung – und die Sehnsucht nach einer Heimat.

Rezensionsübersicht

Rezension ZEIT 2008

Rezension NZZ 2008

Rezension FAZ 2008

Rezension Deutschlandradio 2008