Ein Eremit erzählt rückblickend sein Leben in Form von Briefen in wunderschöner poetischer Sprache. Er erzählt von seiner Symbiose mit der Natur, vom Krieg und dessen Schrecken, von seiner Liebe zu der gottgleichen Diotima und davon, dass er lieber als Einsiedler im mythologisch über-höhten Griechenland lebt als im zeitgenössischen Deutschland Ende des 18. Jahrhunderts. Ein Fall von Zivilisationsflucht also, ähnlich wie Goethes Werther, eine Flucht aus der prosaischen Wirk-lichkeit in die Ästhetik, der Betrachtung der Schönheit. Bild: Rosabel Huguet in einer theatralischen Umsetzung an der Berliner Schaubühne 2013 (Regie: Romeo Castellucci).
Fragt man jugendliche Leser*innen, scheiden sich an Goethes berühmtem Briefroman die Geister: die einen finden den Protagonisten selbstmitleidig, stören sich an der empfindsam-pathetischen Sprache und beklagen die vielen Wiederholungen. Die anderen loben die Zeitlosigkeit vieler Themen und Fragen und empfinden Werthers Emotionalität und Radikalität als glaubwürdig. (Bild)