Markus Werner: Die kalte Schulter (1989)

»Sicherheit ist das Kennzeichnen des Tölpels«, weiß der Protagonist Moritz Wank von einem chinesischen Sprichwort. Er selbst »stehe unter dem Fluch einer angeborenen Schwunglosigkeit«. Wank ist Ende dreißig und hält sich als Maler gerade so über Wasser. Ein Lebenskünstler ist er deshalb noch lange nicht, dazu kämpft er viel zu sehr damit, unser aller Leben nicht anstrengend, absurd oder gar abscheulich zu finden. Was anderen Menschen Normalität und Trost bedeutet, stellt ihn vor Rätsel oder erweckt sein Grauen. Am Begräbnis des Vaters tröstet ihn der Pfarrer mit der Floskel, das Leben gehe weiter – genau das empfindet Wank aber als anstößig: Soll man jetzt so tun, als ob nichts wäre, immer weiter – und wozu? Halt gibt Wank seine sensible, zugewandte Freundin, die 30-jährige Dentalhygienikerin Judith, die ihn immer wieder auf liebevolle Weise mit seinen Schrulligkeiten konfrontiert. Er allerdings ist sich der Fragilität seines Glücks jederzeit bewusst. – Markus Werner dritter Roman ist ein melancholisches, geistreiches und virtuos geschriebenes Portrait eines zweifelnden, depressiv veranlagten Mannes, dessen Weltanschauung sich darum dreht, was wir alles verdrängen resp. verdrängen müssen, um unser Dasein und unseren Alltag auszuhalten und an gegenwärtigem Glück festhalten zu können.

Überblick

Leseprobe

Rezension ZEIT 1990

Rezension Neon 2001

Einordnung in Werners Gesamtwerk NZZ 2014

Blogrezension

Jakob Arjouni: Hausaufgaben (2004)

Hat sich Joachim Linde, Deutschlehrer an einem Gymnasium und liberal denkender Alt-68er, tatsächlich an seiner Tochter vergangen oder ist sie nur ein hysterischer Teenager, die sich wichtig machen will? Darf man dieser Hauptfigur trauen? Weshalb sonst ist die 17-jährige dann Hals über Kopf ausgezogen? Und würde das nicht erklären, weshalb Lindes Ehefrau nun in eine psychiatrische Klinik eingeliefert wurde? Beim Lesen dieses kurzweiligen Romans stellt man sich genau diese Fragen und weiß nicht, ob Linde nun Opfer oder Täter ist und wie man nah man ihn an sich ranlassen will.

Übersicht

Inhalt & Kommentar

Rezensionsüberblick

Rezension Deutschlandfunk 2005

Rezension ZEIT 2004

literaturkritik.de 2004

Blogrezension 2004

Blogrezension 2012

Blogrezension 2016

Meral Kureyshi: Elefanten im Garten (2015)

»Ich war klein, doch groß genug, um nicht mehr klein sein zu dürfen.« – Eine 24-jährige Kosovo-Albanerin, die im Alter von zehn Jahren in die Schweiz kam, erzählt von ihrem Leben und ihrer Familie vor und nach der Emigration. Anlass scheint der Tod des geliebten Vaters ca. ein Jahr zuvor zu sein, mit dem sie eine Art postumen Dialog führt. Die meist kurzen Ausschnitte erzählen von sehr vielen Lebensbereichen, z.B. der schwierigen Beziehung zur blinden Mutter, dem gefeierten ersten Eintrag ins Telefonbuch, den arabischen Gebeten der Großmutter, dem ersten ungewollten Kuss, dem schwierigen Assimilationsprozess, den kulturellen Differenzen, dem allmählichen Verlust der Muttersprache etc.. Auf ca. 140 Seiten gelingt es Kureyshi mit einfacher Sprache und schönen Bildern und Vignetten, ein Bild ihrer komplexen Situation über viele Jahre zu entwerfen, keineswegs vollständig – und um so reizvoller. Der titelgebende Elefant im Garten ist übrigens eine kleine Lüge der Protagonistin als junge Schülerin, um ihrer Schweizer Freundin namens Sarah die Heimat interessant zu machen.

Rezension ZEIT 2015

Rezension NZZ 2015

Rezension WOZ 2015

Blogrezension 2015

SRF-Beitrag 2016 inkl. Video (nur Video: hier)

Markus Werner: Am Hang (2004)

Zwei einander unbekannte Männer, ein junger, etwas zynischer Scheidungsanwalt und ca. 20 jahre älterer Altphilologe, , geraten miteinander in ein Gespräch, das länger dauert als gewöhnlich. Sie haben eine diametral entgegengesetzte Einstellung zum Leben und zur Liebe. Der Erzähler Clarin (der Anwalt) schwärmt von seinem promiskuitiven Dasein als Junggeselle – sein Gegenüber namens Loos verachtet den Zeitgeist und verteidigt Liebe und eheliche Treue. Am Ende stellt sich heraus, dass beide mehr verbindet, als ursprünglich angenommen. Kaum Handlung, viel philosophisches Geplauder mal grundsätzlich, mal oberflächlich, unterm Strich ziemlich gehaltvoll.

Überblick

Inhalt & Kommentar

Übersicht

Rezension ZEIT 2004

Rezension NZZ 2004

Rezension FAZ 2004

Blogrezension 2013

Trailer der Verfilmung (Regie: Markus Imboden, 2013)

Ulrich Woelk: Liebespaare (2001)

Worin liegt der Sinn des Lebens, wenn man ein Paar geworden ist, im Wohlstand lebt und sich dennoch keine Ruhe einstellen will? Fred und Nora sind seit fünf Jahren ein Ehepaar, er ist 40 und leitet das Redakteurteam einer populären Soap, sie ist mit 35 daran, ihre späte Doktorarbeit abzuschließen. Haus, Anstellung, Gesundheit, Freunde, alles stimmt, dennoch nimmt die Zufriedenheit ab, lässt das große Glück auf sich warten resp. scheint in der Vergangenheit zu liegen. Wie viele andere Paare aus ihrem Milieu beschäftigt sie die Frage, wie es in ihrem Leben weitergehen soll. Beide sind sich unsicher, wie sehr sie einander noch lieben, ob sie mit einem anderen Partner oder Job glücklich wären, ob ein Kind etwas ändern würde. Inmitten dieser Daseinsform materiellen Überflusses und transzendentaler Obdachlosigkeit begegnen sie Robert, einem Schriftsteller, und dessen Frau Christa. Aus den entstehenden Sympathien folgt, was Goethe vor zwei Jahrhunderten in seinem Roman ›Wahlverwandtschaften‹ schilderte.  Woelks Figuren wirken alle mehr oder weniger übersättigt und enttäuscht, sie belügen und hintergehen sich und sind doch auf der Suche nach Liebe und Bindung. Der Roman hat einige Längen, die mal locker überspringen kann, und ist dennoch nicht uninteressant, mitunter weil Woelk einen guten Eindruck von der diffus unsicheren Stimmung der Endneunzigerjahre vermittelt.

Einführung

Übersicht

Robert Seethaler: Jetzt wird’s ernst (2010)

 

Die Eltern sind Friseure, mit dem besten Freund prügelt man sich und die erste große Liebe heißt tatsächlich Lotte – wie bei Werther. Das kann man so und so sehen. Jedenfalls entdeckt der 16-jährige Protagonist dank Lotte den russischen Bühnenautoren Tschechow und seine Liebe zum Theater (und nicht zum Leben als Frisör). Im Zentrum dieses recht amüsanten Coming-of-Age-Romans stehen die frühen Jahre der Selbstfindung in einer langweiligen Kleinstadt um 1980 rum.

Einführung

Rezensionsübersicht

Blogrezension 2011

Beitrag über den Autor (NZZ 2014)

Kurzrezension 2010

Blogrezension 2015

Stefan Zweig: Angst (1910/20)

Irene Wagner, verheiratet, Ende zwanzig, lässt sich aus Neugier und einem diffusem Überdruss am vor sich hinplätschernden Familienleben auf ein Abenteuer ein. Das wattierte Dasein als zweifache Mutter in einem bürgerlichen Haushalt der besseren Wiener Gesellschaft füllt sie nicht aus. Dieses Selbstverständliche gerät aber von einem Moment auf den anderen in Gefahr, als sie von einer Frau erpresst wird, die sich als die Freundin des Liebhabers ausgibt. Fortan fürchtet Irene, die Affäre fliege auf und ihr wird bewusst, was sie zu verlieren hat. Sie registriert ihre Versäumnisse, beispielsweise was die Beziehung zu ihren zwei Söhnen betrifft, und sehnt sich zurück zu dem eben noch verschmähten kleinen Frieden der eigenen Familie und den gesitteten Verhältnissen. Die spannende Novelle lebt vom Getriebensein der Protagonistin, die sich dem Schicksal ohnmächtig ausgeliefert sieht.

Überblick

Inhalt & Kommentar

Volltext der ganzen Novelle

Blogrezension 2011

Noch ne Blogrezension (2000)

Analyse & Figuren

Kurzfassung goes Playmobil

kurze Stummfilmfassung (1928)

Trailer einer Bühnenfassung Theater Erlangen (2012)