Thomas Jonigk. weiter. (2020) Wie findet man zu einem Glück, das man sich zutraut, zu einer Liebe, der man vertrauen kann? Veronika und Robert, zwei verlorene Seelen in ihren 20ern, begegnen sich in einem Westberliner Café in den 80ern. Der Roman erzählt von den beiden und wie sie an diesem Punkt gelangt sind. Das ist zum Teil dicke Post, erinnert sehr an den dunklen Zynismus der Romane von Sibylle Berg. Es liest sich trotz alledem sehr gut, sofern man die zum Teil schwer erträglichen Beschreibungen aushält – und weil sich darin so radikale wie interessante Betrachtungen über die conditio humana finden. Überblick Inhalt Leseprobe, Textauszug Rezension Deutschlandfunk 2020
Meral Kureyshi: Elefanten im Garten (2015) »Ich war klein, doch groß genug, um nicht mehr klein sein zu dürfen.« – Eine 24-jährige Kosovo-Albanerin, die im Alter von zehn Jahren in die Schweiz kam, erzählt von ihrem Leben und ihrer Familie vor und nach der Emigration. Anlass scheint der Tod des geliebten Vaters ca. ein Jahr zuvor zu sein, mit dem sie eine Art postumen Dialog führt. Die meist kurzen Ausschnitte erzählen von sehr vielen Lebensbereichen, z.B. der schwierigen Beziehung zur blinden Mutter, dem gefeierten ersten Eintrag ins Telefonbuch, den arabischen Gebeten der Großmutter, dem ersten ungewollten Kuss, dem schwierigen Assimilationsprozess, den kulturellen Differenzen, dem allmählichen Verlust der Muttersprache etc.. Auf ca. 140 Seiten gelingt es Kureyshi mit einfacher Sprache und schönen Bildern und Vignetten, ein Bild ihrer komplexen Situation über viele Jahre zu entwerfen, keineswegs vollständig – und um so reizvoller. Der titelgebende Elefant im Garten ist übrigens eine kleine Lüge der Protagonistin als junge Schülerin, um ihrer Schweizer Freundin namens Sarah die Heimat interessant zu machen. Rezension ZEIT 2015 Rezension NZZ 2015 Rezension WOZ 2015 Blogrezension 2015 SRF-Beitrag 2016 inkl. Video (nur Video: hier)
Ruth Schweikert: Erdnüsse. Totschlagen (1994) In den sieben starken und intensiven Erzählungen geht es um alleinerziehende Frauen, alte Töchter, überforderte Mütter, Männer, die allenfalls zu Sex taugen, Familienkartenhäuser, die zusammenfallen. Sie heißen ›Port Bou‹, ›Erdnüsse‹, ›Geburtstagsfeier‹, ›Schlafbetrunken‹, ›Rolf‹, ›Totschlagen‹, ›Christmas‹. (Bild) Überblick Inhalt & Kommentar Kurze Leseprobe aus der Erzählung ›Port Bou‹ Portrait der Autorin 1998
Christa Wolf: Kindheitsmuster (1976) »Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen. Wir trennen es von uns ab und stellen uns fremd.« So beginnt dieser autobiographische Roman über die eigene Kindheit im Dritten Reich, über Schuld, Flucht und die Frage, ob und wie man Vergangenes wahrhaftig rekonstruieren kann. Der Roman springt zwischen drei Zeitebenen: Nelly Jordan als Führerin im ›Bund Deutscher Mädel‹, auf der Flucht nach Westen vor der Roten Armee und in der erzählten Gegenwart, in der sie eine Reise in die alte Heimat mit ihrer Familie unternimmt. Bild: Christa Wolf 1961 in Berlin. Überblick Leseprobe Wissenschaftliche Untersuchung der Erzählerrollen (1989) Rezension ZEIT 1977 Rezension SPIEGEL 1977 Blogrezension 2005 Blogrezension Kurzer Doku zu Christa Wolf
Elfriede Jelinek: Die Liebhaberinnen (1975) »heinz ist froh, endlich einen menschen zum rammeln gefunden zu haben. kaum wird heinz des menschen brigitte ansichtig, schon knöpft er sich auf und geht in startposition. während ihm brigitte noch erklärt, daß sie ihn liebt und gleichzeitig etwas wie hochachtung vor seinem beruflichen erfolg empfindet…« In so derber wie klarer Sprache wird hier der sogenannten Liebe der Schleier vom Kopf gerissen. Es bleibt das ökonomische Gerippe des notwendigen Ernährers, den man als junge Frau mittels eines gemeinsamen Kindes dazu bringen muss, für einen aufzukommen. – Liebe in Zeiten der Ökonomie in der österreichischen Provinz, dass es kracht: In diesem frühen Roman Jelineks erleben wir den Kampf von weiblichen Teenagern um einen der raren Lebensgenossen als Darwinsche Versuchsanlage mit eingebauten Tiefschlägen: Am Ende gewinnt Brigitte gegen Paula 1:0, denn sie hat fortan eine Zukunft, die Heinz heißt und eine eigene Waschmaschine verspricht, während Paula weiterhin in der Fabrik BHs zusammennähen muss. Wer Heinz genau ist, spielt keine Rolle. Sagte da jemand Liebesheirat? Bild: aus einer Bühnenfassung im Düsseldorfer Schauspielhaus 2002. Einführung Blogrezension 2015 Blogrezension anlässlich der Düsseldorfer Inszenierung (siehe Bild) 2002 Eigenwillige Umsetzung als Trailer für eine polnische Bühnenfassung 2012
Heinrich von Kleist: Der zerbrochne Krug (1806/08) »Zum Straucheln braucht’s doch nichts als Füße«: Übersetzt: Der Mensch ist fehlbar. Was ist passiert? Adam wollte Eve an die Wäsche, doch die wollte nicht und er musste fliehen. Dabei zerbricht ein Krug. Problem: Adam ist ein alter Richter und Eve eine junge Frau, die Ruprecht versprochen wurde. Marthes Mutter mag aber Ruprecht nicht und klagt ihn vor Gericht an, den Krug auf dem Gewissen zu haben. Eve, die es besser weiß, muss schweigen, denn sie fürchtet Adam. Dieser muss nun seines Amtes walten und über einen Fall richten, bei dem er selbst der Schuldige ist. Der einzige, der das weiß, ist sein Sekretär, was ganz schön lustig ist. Überhaupt ist das Stück ein intellektueller Brüller, doch man muss sich die Pointen schon erarbeiten, Kleist schrieb ja keine Groschenhefte. Bild: Szene einer Inszenierung des Hexenberg-Ensembles, Prenzlauer Berg, Berlin 2016. Überblick Kurzfassung goes Playmobil Das ganze Stück Historische Verfilmung von 1933 (mit Emil Jannings) Trailer Theater Würzburg 2010 Trailer Thalia Theater Hamburg 2013 (Regie: Bastian Kraft) Trailer Schauspielhaus Hamburg 2017 (Regie: Michael Thalheimer) Trailer Schauspielhaus Bochum 2015
Nele Pollatschek: Das Unglück anderer Leute (2016) Ein überdrehter tragikomischer Roman über eine jüdischdeutsche Patchwork-familie: dominante Mütter, schwule Väter, Zauberer und mittendrin die abgestrengte Ich-Erzählerin Thene mit ihrem Hassjargon. Die hat gerade ihr Studium in Oxford abgeschlossen, als sich ihre Mutter, die das Leben in ewigem Signalrot durchschreitet, auf ganz besondere Weise in den Mittelpunkt manövriert. Der Roman ist vor allem unterhaltend, er lebt von Thenes scharfem Witz, den Dialogen und von Situationskomik. (Bild) Überblick Leseprobe Rezensionsübersicht Blogrezension 2016 You-Tube-Lesung der Autorin Interview mit der Autorin
Christoph Hein: In seiner frühen Kindheit ein Garten (2005) Ein Terrorist der linksradikalen deutschen RAF ist gestorben. Dessen Vater zweifelt die offizielle Version an, wonach er sich auf der Flucht erschossen habe, und macht sich auf die Spur seines Sohnes. Je weiter er dieser Spur folgt, desto mehr verändert er sich selbst und desto mehr wandeln sich seine Werte, die ihm bis dahin heilig waren. Innerhalb der Familie gibt es Streit, wie man den Sohn und seine Radikalisierung zu beurteilen habe. (Bild) Überblick Ausführliche Inhaltsangabe Figuren und Konstellation Rezensionsübersicht Rezension FAZ 2005 Rezension ZEIT 2005 Rezension SPIEGEL 2005 Rezension literaturkritik.de 2005 Blogrezension 2005 Blogrezension 2006 PREZI-Präsentation
Frank Wedekind: Frühlings Erwachen (1891/1906) Moritz, Wendla und Melchior sind nur drei der vielen Jugendlichen in diesem Stück, und sie sind eingeklemmt zwischen schulischen Pflichten, elterlichen Erwartungen, ungenügender Aufklärung und der eigenen Sehnsucht nach dem, was für sie das eigentliche Leben darstellt, dem Selbstentdecken, den peers, der Sexualität und der Grenzerfahrung. Wedekinds Klassiker in drei Akten liest sich ziemlich heutig, und wer es in moderner Sprache will, kann man auf die aktualisierte Fassung von Nuran David Calis ausweichen. Überblick Ausführliche Inhaltsangabe und Figurenanalyse Das ganze Stück Kurzfassung goes Playmobil Trailer Theater in der Josefstadt, Wien 2010 Trailer Theater Duisburg 2013 Trailer einer Schulinszenierung Trailer der Theatergruppe RAMY 2016 Trailer der Verfilmung einer Neufassung von Nuran David Calis 2009 Moritz‘ Monolog (2015)
Alina Bronsky: Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche (2010) Russische Tiger-Oma mit Pumps und Schmackes. Und dazu lernt man was über mögliche Unterschiede zwischen russischen und deutschen Geschlechterbildern. Überblick Rezensionsübersicht Rezension Literaturkritik.de 2010 Rezension FAZ 2010 Rezension Deutschlandfunk 2011 Rezension LSD 2013 Alina Bronsky ist als Teenager aus der damaligen kommunistischen Sowjetunion nach Deutschland ausgewandert. Ihr Erstling heißt ›Scherbenpark‹ (2008).