Manja Präkels: Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß (2017)

Gorillas in the Kaff. Mimi wächst in der brandenburgischen Provinz auf, eine Stunde entfernt vom großen Berlin. Sie erlebt die noch selbstverständlichen Absonderlichkeiten der späten DDR, dann deren Ende 1990. Mit dem Fall der Mauer, dem ›antifaschistischen Schutzwall‹, folgt der Aufstieg der Gorillas oder auch ›Glatzen‹, wie man die Neonazis nennt. Sie bevölkern das Umland und terrorisieren die Bevölkerung. Unter ihnen befinden sich nicht wenige von Mimis ehemaligen Mitschülern oder Freundinnen, die eben noch die blauen Hemden des Jugendverbands der streng antifaschistischen DDR trugen. Sie suchen sich ihre Opfer willkürlich aus und kommen oft genug ohne Bestrafung davon. Niemand ist ihnen gewachsen und doch – oder gerade deswegen – wird kaum über sie gesprochen. Einer davon ist Oliver, Nachbars Sohn, Spitzname ›Hitler‹, einst Mimis Kindheitsfreund, der mit den Schnapskirschen.

Die Lektüre ist intensiv, die Sprache sachlich, klar, kühl. Die Neonazis kommen einem hier unheimlich nah, und oft dann, wenn man sie nicht erwartet und hofft, dass es jetzt mal um angenehmere Themen geht. Das ist stark, aber das muss man auch ertragen, denn die Figur der Mimi verspricht wenig Halt. Dazu ist sie viel zu sehr beschäftigt mit dem Einordnen dessen, was mit ihr und um sie herum geschieht. Ihre Welt scheint aus den Fugen, nein sie ist es tatsächlich. Ja, da sind Sportauszeichnungen, Freundschaft, Verliebtheit, aber über allem dominieren Kampf, Verunsicherung und wenig Orientierung nach vorne. Ein Ausflug in eine unheimliche Welt, der einem nachgeht.
Bild

Intro

Inhalt & Besprechung

Leseprobe (pdf-download)

Empfehlung der ALEKI 2019

Blogrezension

Rezension Süddeutsche Zeitung 2017

Rezension Tagesspiegel 2018

Online-Lesung der Autorin

Interview mit der Autorin

Leonie Ossowski: Stern ohne Himmel (1958)

1945, die letzten Kriegstage in einer halbzerstörten deutschen Stadt, Flüchtlingsströme, die Front rückt näher, allgemeine Verunsicherung. Mittendrin fünf Jugendliche, die mit einer sie überfordernden Situation konfrontiert werden. Ein jüdischer Junge hat sich in ihrer geheimen Vorratskammer im Keller einer Hausruine versteckt. Eingeklemmt zwischen der eintrainierten NS-Doktrin, Egoismus und eigenen Überzeugungen, sind sie sich nicht einig, wie sie handeln sollen. Ein spannender Jugendbuchklassiker zum Thema Verantwortung.

Überblick

Inhaltsangabe und Figurenübersicht

Textauszug / Leseprobe

Verfilmung (1981)

Heinrich Mann: Der Untertan (1914/18)

Menschen, die nach Macht über andere streben, diese genießen und ausnutzen, tun das nicht selten, um ihre persönlichen Minderwertigkeitskomplexe zu kompensieren. Sie machen sich gerne einer Führerfigur ›untertan‹, um dann im Kollektiv gegen Schwächere zu treten. Genau das trifft auf den bis zur Schmerzgrenze unsympathischen Protagonisten Diederich Heßling zu, mit dem der Autor die »Vorgestalt des Nazi« entwarf, wie er selber sagte.
Heinrich Mann tat dies 1914, noch vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges und 20 Jahre, bevor die Nazis in Deutschland ihre Diktatur ausriefen. Das verleiht dem »Untertan« seine analytische Bedeutung und prophetische Rolle: Da wusste einer, was das für Menschentypen sind, die nach einem starken Kaiser oder Führer lechzen und sich ein Großdeutschland wünschen – und die es heute noch genauso gibt wie damals. Man man lernt viel über die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse im kaiserlichen Deutschland und darf auch mit dem Autor über diese Karikatur eines komplexbeladenen Feiglings, Spießers und Emporkömmlings lachen. (Bild)

Überblick

Rezension ZEIT 1979

Biografisches zu Heinrich Mann

Rezension Welt 2014

Kurzfassung goes Playmobil

Präzise Charakterisierung der Figuren

You-Tube-Erklärbär

Ausschnitt aus der Verfilmung von 1951

Bertolt Brecht: Die heilige Johanna der Schlachthöfe (1931)

Chicago in den Dreißigerjahren, Fleischindustrie, Wirtschaftskrise, drohende Arbeitslosigkeit: Die street workerin Johanna Dark möchte das Leid der zahlreichen arbeitslose oder schlecht bezahlten Fleischindustriearbeiter*innen lindern. Die Frage ist aber, welchen Preis man zu bezahlen bereit ist, um die Fabrikbosse dazu zu bringen, nicht bloß an den eigenen Profit zu denken.
Brechts sozialpolitisches Drama erzählt von der Vergeblichkeit sozialer Kompromisse in der Krise und der negativen Wirkung religiöser Organisationen, die letztlich nur den Reichen und Mächtigen dienen und damit die herrschenden Verhältnisse nicht verändern.
Chicago in den Dreißigerjahren, Fleischindustrie, Wirtschaftskrise, drohende Arbeitslosigkeit: Die street workerin Johanna Dark möchte das Leid der zahlreichen arbeitslose oder schlecht bezahlten Fleischindustriearbeiter*innen lindern. Die Frage ist aber, welchen Preis man zu bezahlen bereit ist, um die Fabrikbosse dazu zu bringen, nicht bloß an den eigenen Profit zu denken.
Brechts sozialpolitisches Drama erzählt von der Vergeblichkeit sozialer Kompromisse in der Krise und der negativen Wirkung religiöser Organisationen, die letztlich nur den Reichen und Mächtigen dienen und damit die herrschenden Verhältnisse nicht verändern.

Überblick

Zusammenfassung

Kurzfassung goes Playmobil

Trailer der Bühnenfassung der Schaubühne, Berlin 2014 (Regie: Peter Kleinert)

Trailer des Nationaltheaters Mannheim 2016 (Regie: Georg Schmiedleitner)

Trailer des Deutschen Theaters Berlin 2009 (Regie: Nicolas Stemann)

Rezension einer Inszenierung des Wiener Burgtheaters (FAZ 2010)

Gerhart Hauptmann: Die Weber (1892)

Was man heute von den skandalösen Bedingungen der Textilindustrie z.B. in Bangladesh weiß, galt im 19. Jahrhundert für die Webindustrie z.B. in Schlesien (im heutigen Polen und Tschechien gelegen). Hauptmann hat mit diesem sozialen Drama in fünf Akten ein Sittengemälde rund um den dortigen Weberaufstand 1844 entworfen, um die sozialen und politischen Dimensionen des Konflikts zu verdeutlichen. Es ist in Dialekt geschrieben, an den man sich beim Lesen ziemlich gut gewöhnt.

Überblick

Inhaltsangabe

Textauszug (Dialekt beachten)

Entstehung und Interpretation

Kurzfassung goes Playmobil

Trailer der Bühnenfassung am DT Berlin 2014 (Regie: Michael Thalheimer)

Komplette Bühnenfassung DT Berlin 2014

Uwe Timm: Ikarien (2017)

Wer sich für das dunkle Kapitel der Euthanasie in Hitlerdeutschland interessiert, bekommt hier eine lesenswerte Einführung in Form eines Romans geliefert, der historische Hintergründe, atmosphärische Beschreibungen der sogenannten ›Stunde Null‹ und eine fiktive Rahmenhandlung miteinander verknüpft.
Deutschland 1945: Ein junger amerikanischer Nachrichtenoffizier deutscher Herkunft wird am Ende des Krieges damit beauftragt, Material über den Rassenwahn in Nazideutschland zu sammeln. Seine Hauptquelle sind die Gespräche mit einem ehemaligen Weggenossen des Arztes und Rassenhygienikers Alfred Ploetz (1860-1940). Ploetz war ursprünglich ein sozialistischer Utopist und glaubte an die Möglichkeit einer perfekten Gesellschaftsform. Als er erkannte, wie schwierig diese Idee umzusetzen ist, ging er neue Wege: die Erschaffung eines neuen Menschen durch positive und negative Eugenik.
Nebst diesen spannenden, aber auch beklemmenden Inhalten erfährt man am Beispiel der fiktiven Hauptfigur auch einiges über das Verhältnis der amerikanischen Besatzer zur deutschen Bevölkerung, die sich erst an die neuen Umstände gewöhnen muss.

Übersicht

Rezensionsüberblick

Rezension ZEIT 2017

Rezension SPIEGEL 2017

Rezension Deutschlandfunk 2017

Interview mit dem Autor

Videointerview mit dem Autor

Hörprobe

Conrad Ferdinand Meyer: Der Heilige (1880)

In dieser spannenden historischen Novelle geht es um eine Männerfreundschaft und wie sie zerbricht, weil der eine (der König) das Vertrauen des anderen (seines Kanzlers, dem großen Gläubigen) missbraucht, so dass sich jener gegen ihn wendet und ihn bis aufs Blut reizt und herausfordert. Das Ganze spielt in England im 12. Jahrhundert. Die historischen Vorbilder sind Wilhelm der Eroberer und Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury und 1173 heiliggesprochen. (Bild)

Überblick

Der ganze Text

Inhalt

Hörbuchfassung 2017

Bertolt Brecht: Der gute Mensch von Sezuan (1940/43)

Wie vertragen sich moralisches Dasein mit der realen Welt? Die junge Shen Te, von den Göttern reich beschenkt, gründet eine Firma. Sie, die als Prostituieret arbeitete und die Armut kennt,  möchte am liebsten alle Bittsteller an ihrem Wohlstand teilhaben, merkt aber, dass das nicht funktioniert und sie ausgenützt wird. So schlüpft sie zwischendurch immer wieder in die Rolle eines (fiktiven) Cousins Shui Ta. Der ist geschäftstüchtig, mitleidlos und hält ihr Geld zusammen. Am Ende weiß Shen Te trotzdem nicht weiter. »Der Vorhang zu und alle Fragen offen.« In diesem Parabelstück illustriert Brecht seine These, wonach die kapitalistischen Verhältnisse den Menschen daran hindern, radikal Gutes zu tun, weil er sich sonst mit einem menschenunwürdigen Elend abfinden müsste. Bild: Laura Balzer in einem Interviewtrailer der Schaubühne Berlin, 2017. (siehe unten)

Überblick

Inhalt & Kommentar

Inhaltsangabe

Chronologische Interpretation Szene für Szene

Interpretationsansatz

Verständnishilfe inkl. Lernvideos

Kurzfassung goes Playmobil

Videointerpretation 2013

Trailer Schaubühne Berlin 2010 (Regie: Friederike Heller)

Trailer Theater Neumarkt Zürich 2011 (Regie: Barbara Weber)

Trailer Wuppertaler Bühnen 2017 (Regie: Maik Priebe)

interviewtrailer Schaubühne Berlin 2017 (Regie: Peter Kleinert)

Juli Zeh: Leere Herzen (2017)

»Full Hands Empty Hearts / It’s a Suicide World Baby.« Der Song, der in Zehs dystopischem Deutschland in Jahre 2025 ein Hit ist, spricht Bände. Das Land hat einen Rechtsruck hinter sich und die nihilistische Protagonistin Britta ist stellvertretend für eine an Politik desinteressierte Mehrheit, die diesen Zustand zu verantworten hat. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Babak hat sie die ›Brücke‹ ins Leben gerufen, eine psychotherapeutische Institution, welche suizidale Menschen entweder heilt oder – wenn der Wunsch zu sterben nicht vergeht – zu Selbstmordattentätern rekrutiert: Sie widmen ihren Tod einem Zweck wie z.B. dem Natur- oder Tierschutz. Eine so eigenwillige wie einträgliche Geschäftsidee. Doch dann wird ein Selbstmordanschlag verübt, dessen Attentäter aus einer Konkurrenzorganisation zu stammen scheinen. Und die schöne Julietta taucht auf und provoziert Britta durch ihre Entschlossenheit. Aus diesen Konflikten entwickelt sich ein recht handlungsorientierter Thriller, in dessen Verlaufe sich Britta gezwungen sieht, ihre politische Haltung und ihre ethischen Maßstäbe zu hinterfragen. (Bild)

Überblick inkl. Links zu Interviews

Leseprobe

Rezensionsübersicht

Rezension ZEIT 2017

Rezension FAZ 2017

Interview mit Juli Zeh 2017

TV-Beitrag 10.11.17

Monika Maron: Stille Zeile Sechs (1991)

»Wenn das Opfer sich nicht wehrt, hat es auch Schuld.« In diesem tiefsinnigen, bedrückenden, in einer sehr präzisen Sprache verfassten Roman rechnet die Ich-Erzählerin (und wohl auch die Autorin) mit ihrer Heimat ab und der Rolle, die sie darin spielte. Ostberlin, Hauptstadt der DDR, des vermeintlich ›Besseren Deutschlands‹, weil durch den ›antifaschistischen Schutzwall‹ vom kapitalistischen Westen abgeschirmt: Die Wissenschaftlerin Rosalind, im kommunistischen Nachkriegsdeutschland aufgewachsen, soll die Memoiren eines alten Stalinisten und strammen Parteigenossen, der als junger Mann gegen die Nazis kämpfte, zu Papier bringen – Anlass zu einer persönlichen Auseinandersetzung mit ihm und mit der ostdeutschen Diktatur. Der Titel ist schlicht die Adresse des alten Beerenbaum. (Bild)

Überblick

Inhalt & Kommentar

Leseprobe (den Cursor benützen)

Rezension ZEIT 1991

Blogrezension 2010

Rezension

Literaturgespräch (1991) über den Roman (von Minute 41:25 an)