Hermann Hesse: Demian (1919) Der Schuljunge Emil Sinclair kämpft mit seinen inneren Dämonen, die seine bisher heile Kinderwelt bedrohen und die ihn locken. Er muss sich vom Elternhaus lösen, seiner Selbst bewusst werden, seine erste Liebe überwinden, seine Triebe kennenlernen, kurz: mit sich selbst Bekanntschaft schließen. Jedes der Kapitel steht für eine neue Phase, eine weitere Häutung. Auf dem Weg zu sich selbst begegnet ihm der gleichaltrige Demian als eine Art Mentor, Lotse und Spiegelung. Der Roman »handelt von einer ganz bestimmten Aufgabe und Not der Jugend, welche freilich mit der Jugend nicht aufhört, aber doch sie am meisten angeht. Es ist der Kampf um die Individualisierung, um das Entstehen einer Persönlichkeit. […] Der ›Demian‹ zeigt gerade jene Seite im Kampf um die werdende Persönlichkeit, die den Erziehern die umbequemste ist. Der werdende junge Mensch, wenn er den Drang zu starker Individualiserung hat, wenn er vom Durchschnitts- und Allerweltstyp stark abweicht, kommt notwendig in Lagen, die den Anschein des Verrückten haben. […] Es gilt nun nicht, seine ›Verrücktheiten‹ der Welt aufzuzwingen und die Welt zu revolutionieren, sondern es gilt, sich für die Ideale und Träume der eigenen Seele gegen die Welt so viel zu wehren, daß sie nicht verdorren.« (Hesse in einem Brief an Marie-Louise Dumont) (Bild)Überblick Inhalt & Lesermeinungen Der ganze Text Präzise Inhaltsangabe der ersten sieben Kapitel Essay zu Hermann Hesses Werk und Einfluss ZEIT 2012 Hörspiel (vollständig) 2016
Christian Kracht: Faserland (1995) »Alle sind tätowiert, wie ja inzwischen fast jeder in Deutschland.« – »Das passiert oft bei ganz reichen Leuten, daß sie so ins Hippietum abdriften.« – »Frankfurter Mädchen haben immer so eine Selbstverständlichkeit, die man nirgendwo sonst in Deutschland findet.« – Ein schnöseliger wohlhabender Endzwanziger reist durch Deutschland und weiter bis in die Schweiz. Auf den acht Stationen (das entspricht acht Kapiteln) trifft er Freunde und Bekannte, alle auf Koks, alle auf Party, alle am Ende. Ein Streifzug durch eine materialistisch dekadente, oberflächliche Welt des »markenbewußten Nihilismus« (FAZ), auf die der Protagonist mit Verachtung und Ekel (Selbstekel) blickt. Krachts mit spitzer Feder verfasster Roadtrip entwirft ein düsteres Zerrbild der saturierten Neunzigerjahre und gilt als Aushängeschild der sogenannten ›Popliteratur‹. Überblick Kapitelübersicht Inhalt & Kommentar Analyse & Rezeptionsgeschichte (Seminararbeit 2001) Rezension FAZ 2002 Rezension SPIEGEL 1995 Blogrezension 2013 Interview mit Kracht, WELT 2009 Interview mit Kracht 2001 Podcast zum Roman 2021 Interview mit Kracht 2021
Peter Weiss: Abschied von den Eltern (1961) »Ich war auf dem Weg, auf der Suche nach einem eigenen Leben.« Mit diesem Satz schließt diese berichtartige autobiographische Erzählung – am Anfang steht der Tod der Eltern: Er bildet den Anlass für den Autoren, das entfremdete Zusammenleben seiner halbjüdischen Familie vor und nach der Emigration aus Nazideutschland zu rekonstruieren, welche durch mehrere Länder führt und in Schweden endet. Die Auseinandersetzung mit dem Vater und die Schwierigkeiten der Berufsfindung sind zentral. Zentral aber auch der eigentliche Erzählprozess: In Rückerinnerung aus Bruchstücken und analytischer Reflexion reihen sich vergangene Erlebnisse und Wahrnehmungen zu einem ununterbrochenen Erzählstrom. Vieles ist dabei historisch repräsentativ und insofern überindividuell. Bild: Still aus der filmischen Umsetzung von Astrid J. Ofner (2017). Überblick Inhalt Interpretation Leseprobe Hörspiel BR 2017, Stimme: Robert Stadlober Rezension literaturkritik.de 2007 Trailer der filmischen Umsetzung von Astrrid J. Ofner (2017)
Christa Wolf: Kindheitsmuster (1976) »Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen. Wir trennen es von uns ab und stellen uns fremd.« So beginnt dieser autobiographische Roman über die eigene Kindheit im Dritten Reich, über Schuld, Flucht und die Frage, ob und wie man Vergangenes wahrhaftig rekonstruieren kann. Der Roman springt zwischen drei Zeitebenen: Nelly Jordan als Führerin im ›Bund Deutscher Mädel‹, auf der Flucht nach Westen vor der Roten Armee und in der erzählten Gegenwart, in der sie eine Reise in die alte Heimat mit ihrer Familie unternimmt. Bild: Christa Wolf 1961 in Berlin. Überblick Leseprobe Wissenschaftliche Untersuchung der Erzählerrollen (1989) Rezension ZEIT 1977 Rezension SPIEGEL 1977 Blogrezension 2005 Blogrezension Kurzer Doku zu Christa Wolf
Arno Geiger: Selbstportrait mit Flusspferd (2015) Julian, 22 und Student, er vertrödelt irgendwie sein Leben und hat Knatsch mit seiner Freundin Judith. Dass da etwas nicht stimmt, ist klar doch als sie dann Schluss macht, ist er unglücklich. Um Zeit für sich zu gewinnen, bewacht er das Flusspferd im Garten des Hauses eines Professors, dessen Tochter Aiko ganz schön nervt – und Julian ganz schön anzieht. Derart zwischen Frauen, Ferienjob und Flusspferd eingeklemmt, findet Julian nach und nach etwas über sich und das Leben heraus, das er vorher nicht wusste. Überblick Leseprobe Rezensionsübersicht Rezension ZEIT 2015 Rezension TAGESSPIEGEL 2015 Rezension SPIEGEL 2015 Rezension NZZ 2015 Blogrezension 2015 Interview mit Arno Geiger 2015 noch’n Interview mit ihm 2015
Ingeborg Bachmann: Das dreißigste Jahr (1961) Die sieben Erzählungen, die erste Prosaarbeit der Lyrikerin Bachmann, sind thematisch miteinander verwandt. Es geht um Gewalt, Zerstörung und Anpassung an gesellschaftliche Erwartungen, das Erbe der Nazizeit spielt eine große Rolle und immer auch die Liebe und die Beziehung zwischen Mann und Frau. Drei Beispiele: In der Titelerzählung wird eine Kindheit und deren Traumata wieder besucht; ›Unter Mördern und Irren‹ erzählt von der unauslöschlichen Verrohung durch NS und Krieg; in ›Ein Schritt nach Gomorrha‹ erwägt die in einer unglücklichen Beziehung steckende Charlotte die Möglichkeit von lesbischer Liebe mit der sehr forschen jungen Mara. Bachmanns Prosa ist raffiniert, poetisch verdichtet und liefert viel Raum zur literarischen Interpretation – sie entwickelt von der ersten Seite an eine ungeheure literarische und sprachliche Wucht. (Bild) Überblick Inhalt & Kommentar Dissertation mit Interpretationen Rezension ZEIT 1961 Rezension SPIEGEL 1961 Rezension FAZ 2002 Blogrezension der Titelgeschichte 2005
Michelle Steinbeck: Mein Vater war ein Mann an Land und im Wasser ein Walfisch (2016) Mit unkonventionellen Mitteln und einem schillernden Kinderblick schreibt die 1990 geborene Autorin über das Erwachsenwerden und die große Frage nach dem Glück, heißt es in der ZEIT. Überblick und Pressestimmen Leseprobe Rezensionsübersicht Rezension NZZ 2016 Rezension ZEIT 2016 Rezension TagesWoche 2016 Rezension auf literatur.ch TV-Beitrag inkl. Interview mit der Autorin Buchbesprechung im Literaturclub SRF 2016 (beginnt bei 39:45) Die Autorin über den ersten Satz ihres Romans
Irmgard Keun: Das kunstseidene Mädchen (1932) Berlin 1931. Eine junge Frau voller Träume und Leidenschaften zieht von ihren ärmlichen Eltern weg und in die Großstadt, um sich das große Glück zu erobern. Sie wünscht sich ein Leben wie im Film und den gestohlenen Pelzmantel sieht sie als Eintrittskarte. Doch im Grunde sehnt sie sich danach, geliebt zu werden. Bild: Ursula M. Schmitz in einer Bühnenfassung in Basel 2013. Überblick Inhalt & Kommentar Inhaltsangabe Leseprobe Rezensionsübersicht Videozusammenfassung 2014 Kurzfassung goes Playmobil Videolesung 2011 Auszug aus einer szenischen Lesung 2011 Trailer einer Theaterfassung 2013 Monolog Schauspielschule Wien 2013 Trailer eines Soloabends von Tinka Fürst 2015 Trailer einer Theaterfassung 2016
Siegfried Lenz: Deutschstunde (1968) ›Deutschstunde‹ heißt der Roman, weil er eine zentrale Frage Nachkriegsdeutschlands stellte: Wie groß war der Spielraum der vielen, die in Hitlerdeutschland Befehle ausführten? Oder stellten sich manche diese Frage nicht? Der exemplarische Fall eines Dorfpolizisten, der einem befreundeten Künstler gegenüber ein von oben erteiltes Malverbot durchsetzen soll, wird aus der Warte von dessen Sohn Siggi erzählt, der dem Maler näher als der eigene Vater steht. (Bild: Szene aus der Verfilmung von 1971) Überblick Überblick & Kommentar Ausführliche Inhaltsanalyse & Kapitelübersicht Rezension SPIEGEL 1968 Trailer der Verfilmung von Peter Beauvais 1971
Karin Duve: Dies ist kein Liebeslied (2002) Ein recht brutaler Bildungsroman einer jungen Frau, die sich eine Jugend lang zu dick und hässlich fühlt, das Leben einer Außenseiterin führt und kein rechtes Ziel verfolgt. Der Ton der Ich-Erzählerin ist schmissig und sarkastisch, der Inhalt tragikomisch bis grotesk. (Bild) Überblick Leseprobe Rezensionsübersicht Rezension FAZ 2002 Rezension ZEIT 2002 Rezension taz 2002 Blogrezension 2006