Familienleben, Phase X: Die Eltern beide erfolgreich im Arbeitsleben, die Kinder pubertieren – und es knirscht im Gebälk des familiären Miteinander. Die Mutter, ehemals Jungschriftstellerin, nun Lehrerin an einem Gymnasium und auf der Suche nach mehr Leidenschaft, verliebt sich zu ihrer eigenen Überraschung in einen Klassenkollegen ihrer Tochter. Derweil wird ihr Ihr Mann, ein erfolgreicher TV-Journalist, auch er liebestechnisch auf Abwegen, mit seiner Vergangenheit als Missbrauchsopfer konfrontiert. Das alles wird ziemlich schonungslos erzählt und man ist immer in den Köpfen der Figuren dabei. Triggerwarnung: Explizite Darstellung von sexuellen Handlungen.
»Ich bin nicht Stiller.« Da will sich ein Mann mittleren Alters selbst neu erfinden, indem er nach USA auswandert. Als er zurückkommt (dort setzt der Roman ein), nimmt man ihm nicht ab, dass er ein anderer ist resp. geworden ist. Die Figur des Anatol Stiller mit seiner trotzig-sturen Haltung zwischen Selbstverhass, Selbstverleugnung und Selbstbehauptung auf der Suche nach seiner wahrhaftigen Identität bleibt haften, auch weil sie gebrochen ist. Stiller ist keineswegs immer sympathisch, eher im Gegenteil, aber seine unerbittliche Selbstkritik öffnen das Verständnis des Lesers für seine Schwäche und Larmoyanz, er ist markant gezeichnet, mit einer ausgeprägten Beobachtungsgabe. Und der Roman, der auch ein Eheroman ist, liest sich sehr spannend, nicht zuletzt aufgrund der bunten Schar weiterer interessanter Figuren, wie zum Beispiel Stillers Exfrau Julika. Interessant ist daran zum Beispiel, dass das Scheitern zweier Ehen aus der jeweils männlichen und weiblichen Perspektive erzählt wird. (Bild)