Christian Kracht: 1979 (2001) Halb Reisebericht, halb Bildungsroman, schreibt die NZZ. Aber was für ein seltsamer: Ein wohlstandsverwahrloster deutscher Dandy und Intellektueller kommt auf den Hund – zuerst im Orient, dann in Fernost. Er gerät mit seinem Freund 1979 ins revolutionäre Teheran (als Khomeini Iran zum islamischen Staat macht), verliert den Freund und begibt sich als Pilger nach Tibet, erfährt auf spirituellen Wegen eine erste Ahnung von innerer Freiheit, und endet schließlich als Häftling in China. Eine Absage an die westliche Konsumgesellschaft? Ein Dokument bewusster Selbstauflösung eines westlichen Flachdenkers? Krachts Roman erscheint ausgerechnet 2001, als mit dem Angriff auf das World Trade Center Vertreter des radikalsten Islamismus dem Westen und dem ›Großen Satan‹ Amerika die ärgste Wunde zufügt. »In diesem Land wird eine neue Zeitrechnung beginnen, außerhalb des Zugriffs Amerikas“, sagt der Perser Massoud. „Es gibt nur eine Sache, die dagegen stehen kann, nur eine ist stark genug: Der Islam. Alles andere wird scheitern. Alle anderen werden in einem schaumigen Meer aus Corn Flakes und Pepsi-Cola und aufgesetzter Höflichkeit ertrinken.« (Bild) Überblick Zum Autor Rezensionsübersicht Rezension literaturkritik 2001 Rezension WELT 2001 Rezension FAZ 2001 Rezension NZZ 2001 Playlist einiger Musikstücke, welche die Protagonisten hören
Klaus Mann: Der Vulkan (1939/1956) »Es gibt keine Hoffnung. Ob wir Intellektuelle nun Verräter seien, oder Opfer, wir täten gut daran, die völlige Hoffnungslosigkeit unserer Lage zu erkennen. Warum sollten wir uns etwas vormachen? Wir sind geliefert! Wir sind geschlagen!« – Klaus Manns eindrückliches Panorama von Emigrantenschicksalen ist auch ein Bekenntnis zum Außenseitertum und eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle des Intellektuellen. Er beschreibt aus eigener Erfahrung das Dasein der ausgewanderten deutschen Schauspieler*innen, Künstler*innen, Journalisten etc. im Pariser Exil der Dreißiger Jahre, in Amsterdam, Prag, Zürich und den USA. Alle sind sie vor Hitlers Diktatur geflohen, ihre Arbeit ist aber an ihre Muttersprache gebunden. Nun sehen sie sich gezwungen, im Ausland der Weltgeschichte dabei zuzusehen, wie sich entwickelt. Einige planen, ihre Laufbahn in USA oder woanders fortzusetzen, andere hoffen darauf, in ein postfaschistisches Deutschland zurückkehren zu können, und manche wechseln das Metier und lassen sich zum Beispiel zum Handwerker umschulen. Bild: Nina Hoss in einer Szene aus O. Runzes Verfilmung von 1999. Intro Inhalt & Kommentar (zur Verfilmung) Rezension ZEIT 1956/2012 Blogrezension 2016 Rezension anlässlich der Verfilmung (Berliner Zeitung 1999)
Wolfgang Koeppen: Der Tod in Rom (1954) Knapp zehn Jahre nach Kriegsende kommt es – teils freiwillig, teils zufällig – zu einem deutschen Familientreffen in Rom: Opfer, Täter und Mitläufer aus zwei Generationen begegnen sich ausgerechnet in der Metropole des christlichen Glaubens. Im Zentrum stehen der junge Komponist Siegfried (Protagonist & Perspektivfigur) und sein Onkel, ein ehemaliger SS-Mann namens Judejahn (!). Der Waffenhändler und Militärberater ist eine Verkörperung des ewiggestrigen Nazis und nach wie vor Antisemit. Koeppens Roman besticht durch überbordende Bilder und eine starke Sprache. (Bild) Überblick Inhalt & Kommentar ZEIT-Rezension 1954 zur Erstausgabe SPIEGEL-Rezension 1954 zur Erstausgabe Blogrezension 2011 Blogrezension 2008
Thomas Mann: Der Tod in Venedig (1913) Der androgyne polnische Junge Tadzio ist es, dessen Anblick den abgearbeiteten Schriftsteller Gustav von Aschenbach aus seiner Welt der Leistung und des Geistes und in einen Strudel der Gefühle reißt, die er für sich behalten muss. Verzweifelt versucht er, sein Begehren zu vergeistigen und damit vor sich selbst zu kaschieren. Überblick Inhalt & Kommentar Inhaltsangabe Leseprobe des Anfangs Todesfiguren und Motive Leitmotivik Wissenschaftliche Untersuchung zum Scheitern der Körper-Geist-Dichotomie Gustav von Aschenbachs Rezension FAZ 2012 Blogrezension 2014 Trailer Verfilmung (Luchino Visconti, Italien 1971)
Sibylle Berg: Vielen Dank für das Leben (2012) Toto möchte eigentlich eine Frau sein, was ihm in der DDR übelgenommen wird. Weil ihn dort nichts hält, flieht er noch vor der Wende in den Westen nach Hamburg, wo er eine Reihe von sehr seltsamen Dingen erlebt. Ihn, der keiner Fliege etwas zuleide tun könnte, behandelt man auch hier erstmal wie Frankensteins Monster, aber er kann schön singen und findet eine Nische. Dann trifft er seinen alten Schulkameraden Kasimir wieder.Sibylle Bergs Roman führt über mehrere Jahrzehnte bis in die Zukunft des mittleren 21. Jahrhunderts – berührend, verstörend, unterhaltsam, grotesk – eine Passionsgeschichte, die aufregt, nachdenklich macht und die man nicht mehr vergisst. (Bildquelle: Photo by Sharon McCutcheon from Pexels) Übersicht Textauszüge Rezensionsübersicht Rezension ZEIT 2012 Rezension FAZ 2012 Rezension Berliner Zeitung 2012 Rezension NZZ 2012 Rezension LSD 2012 Interview mit Sibylle Berg 2012 Videotrailer von Sibylle Berg zum Roman 2012